Drei Sprachen gegen ein Virus

Lockdown, Triage und Impfung. Warum wir mehrere Sprachen brauchen, um die Pandemie in den Begriff zu bekommen.

Lehnwörter aus Fremdsprachen sind nichts Ungewöhnliches, vor allem im medizinischen Bereich. Bemerkenswert am Sprachwirrwarr rund um Corona sind die verschiedenen Zeitebenen, aus denen die Wörter stammen.

Die ältesten Begriffe in unserem derzeitigen Seuchenvokabular sind die Quarantäne und die Triage. Beide stammen aus dem Französischen. Quarante bedeutet „vierzig“. So viele Tage nämlich wurden einst die Schiffe mit einer Hafensperre belegt, wenn sie im Verdacht standen, die Pest an Bord zu haben. Triage bedeutet „Auslese“. Die länderübergreifenden Feldzüge Napoleons verlangten eine Neuordnung des Sanitätswesens. Der Beginn war ein Verfahren, das regelte, wer bei nötigen Amputationen zuerst an der Reihe war.

Die Frage, wer nach einem positiven Coronatest wie lange zu Hause bleiben muss, streift sprachlich also ebenso den Mantel der Geschichte wie die allenfalls nötige Entscheidung, wer zuerst behandelt wird, falls das Gesundheitssystem an seine Grenzen gerät.

Apropos Gesundheitssystem. Warum heißt das eigentlich immer noch so und nicht längst „Health System“? Vielleicht weil wir bei der Beurteilung der hauseigenen Kapazitäten Nabelschau betreiben und uns lieber ans Hiesig-Muttersprachliche halten. Die Impfung wurde bislang jedenfalls ebenso wenig gegen einen Anglizismus ausgetauscht wie das Intensivbett.

Ganz anders sieht es beim Containment aus. Ursprünglich übrigens ein Schlagwort aus dem Kalten Krieg, gemünzt auf die Eindämmung des Kommunismus, ist Containment aktuell ein weltweiter Kampfbegriff zur Einhegung der Pandemie. Wenn es um die Kontrolle des Infektionsgeschehens geht, verlassen wir uns sprachlich auf globalisiert geeichtes Vokabular, vom Lockdown oder Shutdown über das Contact Tracing auf dem Dashboard bis hin zum Social Distancing und Home-Schooling. Das verschafft uns den Nimbus, auf dem neuesten Stand zu sein und über das gleiche Arsenal zu verfügen wie alle anderen auf dem Planeten.

So umspannt unser Corona-Vokabular enorme Zeitebenen: vom archaischen Zeitalter der Pest über die jüngere Geschichte des Kalten Krieges bis hin zur globalisierten Gegenwart. Diese Seuche sprengt sämltliche Grenzen im Sprachkosmos, räumliche wie zeitliche.