Kanzler Kurz hat die Bevölkerung gewarnt, beim Feiern des Weihnachtsfests nicht das lauernde Virus zu vergessen. Seine Mahnung im Wortlaut: „Wenn eine Person dabei ist, die fortgeschrittenen Alters ist, und diese Person steckt sich an, dann hat derjenige eine wahrscheinlich rund 10-prozentige Chance, dass er an dieser Krankheit stirbt.“ Eine Chance zu sterben? Da bewahrheitet sich wieder einmal die Weisheit, dass jede noch so schlimme Krise eine Chance in sich birgt.
Das Wort „Chance“ geht auf das Lateinische „cadere“ zurück, das bedeutet „fallen“. Der Hintergrund ist das Fallen der Würfel, und zwar der günstige Fall. Eine Chance ist immer eine positive Möglichkeit. Nie würde etwa ein Wetterbericht ankündigen: „Heute stehen die Chancen ungemein gut, dass Ihnen ein Orkan das Dach über dem Kopf wegfegt.“
Chancen muss man nutzen, heißt es. Zumal sie sich nicht jedem bieten, bei diesem Weihnachtsfest nur Personen „fortgeschrittenen Alters“. Interessant ist, dass Kurz in seiner Chancenbewertung eine konkrete Zahl nennt (10 %), ansonsten aber vage bleibt: Denn was ist ein fortgeschrittenes Alter? 60, 70, 90? Das ist wahre Massage-Control, die Krisenstrategie der Regierung in einem Satz zusammengefasst: das Nebeneinander von scheinbar zahlenbasierter Evidenz und blindem Aktionismus.
Nun ist das ja nicht die erste Kanzlerwarnung. Vor dem ersten Lockdown hatte er noch ganz andere Chancen gesehen, wir erinnern uns lebhaft an seine Worte: „Bald wird jeder jemanden kennen, der an Corona gestorben ist.“ Prozentzahlen hat Kurz damals leider keine genannt. Vor dem zweiten Lockdown hatte er immerhin eine handfeste Erklärung für den Anstieg der Infektionszahlen, wie immer kurz und bündig: „Das Virus kommt über die Grenze nach Österreich, es kommt mit dem Auto.“ Leider ist er uns auch hier konkrete Zahlen schuldig geblieben. So steht am Ende die quälende Frage im Raum, wie groß die Chance wohl sein mag, auf ein Virus zu treffen, das beides zugleich hat: Migrationshintergrund und einen Führerschein.